Informationen für journalistisch Tätige
Die Mitglieder von „Kein Täter werden Suisse“ bieten ein durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen an, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und aus diesem Grund therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Das Angebot wurde nach dem Vorbild des deutschen Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“ entwickelt, das 2005 an der Charité – Universitätsmedizin Berlin gegründet wurde. Die Schweizer Initiative entstand auf Basis von zwei parlamentarischen Vorstößen aus dem Jahr 2016. Nach einem Bundesratsbericht mit entsprechenden Empfehlungen wurde an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich die Präventionsstelle Pädosexualität etabliert. Zentrales Ziel des Netzwerks ist der Schutz von Kindern durch die Verhinderung von sexuellen Übergriffen und dem Konsum von Missbrauchsabbildungen.
Unterscheidung zwischen Pädophilie/Hebephilie und sexuellem Kindesmissbrauch
Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, begehen nicht zwangsläufig sexuelle Übergriffe oder nutzen Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs (sog. Kinderpornografie). Daher müssen die Begriffe Pädophilie/Hebephilie und sexueller Kindesmissbrauch unterschieden werden. Während die strafrechtliche Bezeichnung «Sexuelle Handlungen mit Kindern» vorrangig sexuelle Handlungen vor, an und mit Kindern beschreibt, wird unter Pädophilie/Hebephilie eine sexuelle Ansprechbarkeit auf den kindlichen beziehungsweise jugendlichen Körper verstanden.
Nicht jeder Mensch mit einer Pädophilie oder Hebephilie begeht sexuellen Kindesmissbrauch und nicht jeder Sexualstraftäter ist pädophil oder hebephil. Studien belegen, dass bei 30-50% der Täter, die Kinder sexuell missbrauchen, das sexuelle Interesse an Kindern bereits seit dem Jugendalter bestand (Abel et al. 1987; Elliott et al. 1995; Marshall et al. 1991).
Besonders relevant erscheint der empirisch gesicherte Zusammenhang zwischen atypischen sexuellen Interessen und dem Risiko für Sexualstraftaten, insbesondere bei Jugendlichen. Metaanalytische Befunde belegen, dass atypische sexuelle Interessen einen der stärksten Risikofaktoren für sexuell übergriffiges Verhalten darstellen (Worling & Langström 2006; Seto & Lalumière 2010; Pullmann et al. 2014).
Häufigkeit von Pädophilie in der Allgemeinbevölkerung
Die Häufigkeit der Pädophilie bzw. pädophilen Störung in der Allgemeinbevölkerung ist unbekannt (Cohen & Galynker, 2002; Seto, 2008). In aktuellen sexualwissenschaftlichen Untersuchungen an männlichen Probanden aus der Allgemeinbevölkerung gaben zwischen 4.1% – 9.5% der Befragten an, schon einmal sexuelle Fantasien mit Kindern gehabt zu haben. Zwischen 3.2% – 3.8% der Befragten berichteten sogar von sexuellem Verhalten mit Kindern (Ahlers et al., 2011; Dombert et al., 2015, siehe hierzu auch die Ergebnisse der Mikado-Studie). Eine Auswertung von 30 Prävalenzstudien ergab eine Rate für sexuelles Interesse an Kindern zwischen 2% und 24%, wobei die meisten Untersuchungen eine geringe externe Validität und ein hohes Risiko für Verzerrungen aufwiesen (Savoie et al., 2021). Da jedoch in vielen Studien die Intensität und Dauerhaftigkeit dieser sexuellen Fantasien/Verhaltensweisen nicht untersucht wurde, lässt sich daraus nur schwer das Vorkommen von pädophilen Neigungen im Sinne einer klinisch diagnostizierbaren Pädophilie in der Bevölkerung schätzen. Die Häufigkeit wird – bislang erhobenen Daten zufolge – auf bis zu 1% der männlichen Bevölkerung geschätzt (Dombert et al., 2015). Für eine gesicherte Diagnose ist jedoch ein ausführliches klinisches Interview notwendig.
Pädophilie bei Frauen
Eine Pädophilie wird fast ausschließlich bei Männern diagnostiziert, betroffene Frauen zeigen sich selten. Auf Kinder gerichtete sexuelle Fantasien werden in Studien auch von Frauen berichtet, jedoch weniger häufig, als bei Männern (z.B. Bártová et al. 2021). Über die Häufigkeit einer pädophilen Präferenz bei Frauen gibt es derzeit keine gesicherten Erkenntnisse.
Vorhandene Maßnahmen zur Vorbeugung von sexuellen Übergriffen
Die Mehrzahl der Maßnahmen zur Vorbeugung sexueller Übergriffe auf Kinder bestehen aus pädagogischen Kampagnen und Angeboten für potenzielle Opfer (Kinder), Erzieher und Eltern.
Leidensdruck und Hilfebedarf bei Menschen mit sexueller Präferenz für Kinder/Jugendliche
Sexuelles Verlangen nach Kindern und/oder Jugendlichen kann einem sexuellen Missbrauch vorausgehen. Darüber ist aus der Forschung und aus der klinischen Arbeit bekannt, dass viele Menschen, die sich sexuell zu Kindern oder Jugendlichen hingezogen fühlen, unter ihrer sexuellen Präferenz und deren gesellschaftlicher Stigmatisierung leiden und sich deshalb Hilfe wünschen.
Ziel und Notwendigkeit therapeutischer Präventionsmaßnahmen
Ziel muss es deshalb sein, therapeutische Präventionsmaßnahmen zu etablieren, die im Dunkelfeld greifen, betroffenen Menschen beim Umgang mit ihrer sexuellen Ausrichtung helfen und darüber hinaus wirksam werden, bevor es zu sexuellen Übergriffen und/oder der Nutzung von Missbrauchsabbildungen im Internet (sog. Kinderpornografie) kommt.
Angebot des Präventionsnetzwerkes
Genau hier setzt das Angebot des Präventionsnetzwerkes an und bietet Menschen, die eine sexuelle Erregbarkeit durch Kinder oder Jugendliche verspüren und/oder Missbrauchsabbildungen konsumieren und aus diesem Grund therapeutische Hilfe suchen, eine kostenlose Behandlung unter Schweigepflicht an.
Klinische Erfahrungen und Bedarf an therapeutischer Hilfe
Der klinischen Erfahrung nach leiden viele der betroffenen Menschen unter ihren sexuellen Impulsen und suchen eigenmotiviert therapeutische Hilfe.
Mangel an qualifizierten Therapieangeboten
Oftmals fehlt es jedoch an qualifizierten Angeboten, da es diesbezüglich nur sehr wenige qualifizierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gibt.
Ziele und Ansätze der Therapie
Eine Therapie, wie sie von den Netzwerkpartnern angeboten wird, will den betroffenen Menschen Unterstützung im Umgang mit ihrer Sexualität bieten.
Sekundäre und primäre Prävention
Aus einem Präventionsansatz für das Dunkelfeld ergeben sich darüber hinaus zwei Ziele: Therapeutische Intervention bei bereits begangenen sexuellen Übergriffen bzw. bestehendem Konsum von Missbrauchsabbildungen (sekundäre Prävention) und therapeutische Prävention bei Menschen, die befürchten, einen sexuellen Übergriff gegenüber Kindern/Jugendlichen begehen zu können bzw. sich zu Missbrauchsabbildungen im Internet hingezogen fühlen (primäre Prävention).